B.D. Winter

Interview mit Manuela Pfleger im Rahmen der Blogtour zu „Tanz der Ikonen“

Manuela Pfleger befragte mich zu Gay Novels und der besonderen Herausforderung, schwule Charaktere zu schreiben. Wir sprachen über das Genre ebenso wie über Homosexualität im Alltag, über die Grenzen einer weiblichen Autorin und wie ich an erotische Szenen herangehe.

Liebe B.D. Winter, ich bin sehr erfreut, dass wir uns rein zufällig vor dem Café Museum getroffen haben und bin auch sehr dankbar, dass wir uns unterhalten können.

Grüß dich! (Sie nimmt mich an den Schultern und küsst mich auf beide Wangen, wie man es in Wien nun mal tut)

Würdest du dich bitte den Lesern ein wenig vorstellen, bevor ich dich mit Fragen löchere? 🙂

Ich weiß nie, wo ich bei diesen Vorstellungen anfangen soll. 😉 Als Barbara Drucker habe ich da schon mehr Routine, aber als B.D. Winter bin ich noch sehr jung. Das ist meine dunkle Seite. (lacht) Nein, eigentlich ist es die hellere, ich traute mich nur lange nicht, zu ihr zu stehen. Ich dachte, dass es seltsam sei, wenn ich als Frau Gay Novels lese, und erst recht, wenn ich welche schreibe. Bis ich herausfand, dass ich da bei weitem nicht die einzige bin. Aber jetzt bin ich richtig froh, dass ich den Schritt gemacht habe, und ich fühle mich mit einem offenen Pseudonym sehr wohl. Was Barbara Drucker und B.D. Winter gemeinsam ist, ist die Liebe zur Spannung und zu starken Figuren.

Da es sich bei „Tanz der Ikonen“ um eine Gay Romantic Suspense handelt, habe ich gleich mal die erste Frage an dich. Was macht für dich den Unterschied zwischen einer Gay Novel und einem Heteroroman aus?

Das Offenkundige ist natürlich die Paarung, dass sich hier zwei Männer verlieben. Da das Geschlecht als Unterschied wegfällt, muss man noch stärker die verschiedenen Charaktereigenschaften herausarbeiten, ohne das Paar komplett gegensätzlich anzulegen. Ein paar Gemeinsamkeiten brauchen sie schon, damit die Beziehung funktionieren kann. Ich habe auch den Eindruck, dass für die Leser Sex eine größere Rolle spielt, dass sie Sexszenen zwischen Männern einfordern. Wahrscheinlich spielt Neugier hier eine große Rolle, das für viele Exotische, das ich in einem Heteroroman auf andere Weise bediene, und ein gewisses Mysterium. Hier muss ich den Spielraum erst ausloten, denn ich will meine Romane nicht auf Sex zwischen Männern reduzieren. Es gibt sehr wohl Sexszenen, aber die stellen eine ganz andere Herausforderung dar. Was auf jeden Fall wegfällt, sind die lästigen Überlegungen über Rollenbilder. Ich kann komischerweise Weibchen nicht ausstehen, Julian aber tendenziell weich anlegen, ohne ihn zur verkappten Frau zu machen.

Hast du in deinem privaten Umfeld homosexuelle Freunde? Wenn ja, behandelst du sie gleich wie Hetero-Freunde?

Das wechselt. Mein früherer Tanzpartner war homosexuell und wir zogen zu viert um die Häuser. Er, sein Freund, meine lesbische Freundin und ich (ich bin hetero). Wir waren eine tolle Truppe! Als ich im Museum arbeitete, hatte ich etliche homosexuelle Kollegen, sowohl Männer als auch Frauen. In der täglichen Zusammenarbeit merkt man sehr schnell, dass es abgesehen von den sexuellen Vorlieben in gewissen Punkten Unterschiede gibt, dass es aber überhaupt nicht darauf ankommt. Mir ist der Mensch wichtig. Und einer der Direktoren war offen homosexuell, ein sehr feiner, charismatischer Mann, der mich extrem beeindruckte. Ich hoffe, dass ich sie gleich behandle, obwohl ich mir bewusst bin, dass sie eine gewisse Faszination auf mich ausüben. Es ist das mir Fremde, das mich anzieht, und ich finde das selbst problematisch, weil ich sie eben nicht auf ihre sexuelle Orientierung reduzieren will. Wie soll ich dir das erklären? Es ist eine Art positive Neugier, eine Offenheit. Wenn ich lesbisch wäre, hätte ich wahrscheinlich dasselbe aufgeschlossene Interesse für heterosexuelle Menschen.

Ich persönlich bin sehr tolerant und akzeptiere und respektiere Menschen nach ihrem Charakter und Herz, nicht wen ein Mensch liebt. Leider sehen ja noch immer Mitmenschen die Homosexualität anders und diskriminieren Homos. Wie stehst du dazu und wie würdest du selber damit umgehen?

Ich wünsche mir, dass man gar nicht viel Aufhebens darum machen muss, dass Homosexualität als ebenso normal angesehen wird wie Heterosexualität. Ich bin zum Beispiel ganz klar für die Ehe für alle, weil man in meinen Augen einen Menschen und eine Person liebt und nicht eine Zuschreibung. Aber ich bin auch nicht blauäugig, ich sehe sehr wohl, mit welchen Schwierigkeiten Homosexuelle manchmal konfrontiert sind. Selbst bei Leuten, die man eigentlich für aufgeschlossen hält. Ich finde jeden mutig, der sich outet, aber ich habe auch großes Verständnis dafür, wenn man es sich noch nicht traut und berufliche oder gesellschaftliche Nachteile befürchtet. Unsere Gesellschaft ist bei weitem noch nicht da, wo eine moderne Gesellschaft sein müsste. Deshalb trete ich auch als Heterofrau offen gegen Diskriminierung anderer Lebensformen ein. Ich setze auf die Vorbildwirkung.

Kannst du uns den Grund nennen, warum du homosexuelle Charaktere gewählt hast?

Das ist sehr einfach. Ich habe ein ausgesprochenes Faible für männliche Protagonisten. Auch wenn ich Heteroromane lese oder schreibe, identifiziere ich mich mit dem männlichen Helden. Was liegt also näher, als sich einmal zwei Männer ineinander verlieben zu lassen? Auch ihre Gefühle auszuloten, statt immer bei guter Freundschaft stehen zu bleiben?

Hat es einen speziellen Grund, dass du eine Gay Romantic Suspense geschrieben hast?

Ich glaube, es ist mein Bedürfnis, mich mit dem männlichen Helden zu identifizieren. Wenn der schwul ist, kann ich trotzdem einen Mann lieben. 😉 Dann gibt es aber auch noch einen gesellschaftspolitischen Grund. Ich will zeigen, dass Gay Novels nicht nur im Schmuddeleck stehen, sondern damit auch genrefremde Leser ansprechen. Dass Homosexualität ihren Platz hat und auf welch unterschiedliche Weisen man mit ihr umgehen kann.

Wie kamst du zu den Infos über das Wirken und Leben von Homosexuellen? Zum Beispiel die erotischen bzw. Sexszenen?

Zum einen hatte ich ja homosexuelle Freunde, Kollegen und meinen tollen Chef. Natürlich kannst du die nicht immer direkt fragen, aber das ist bei Heteros nicht anders, wenn du respektvoll bleiben willst. Als ich beschlossen hatte, selbst im Gay-Genre zu schreiben, las ich verstärkt andere Bücher aus diesem Genre und sah mir an, wie deren Autoren es lösten. Natürlich besteht die Gefahr, in Klischees abzudriften, vielleicht auch zu weiblich an die Sache heranzugehen. Ich habe mittlerweile eine sehr gute Intuition, ob ein Mann oder eine Frau eine Sexszene geschrieben hat. Das größte Problem ist, dass ich Sexszenen ja nicht voyeuristisch schreibe, sondern sehr emotional. Ich will nicht die Technik vermitteln, sondern das Gefühl. Und hier sind mir auch Grenzen gesetzt, das kann man gar nicht wegdiskutieren. Ich kann mich zwar recht gut in Männer und männliches Denken hineinversetzen, aber ich werde nie mit Sicherheit wissen, wie sich ein Mann beim Sex fühlt.

Könntest du dir vorstellen, eine Reihe über Heterosexuelle zu schreiben?

Okay, ich glaube, diese Frage haben wir schon geklärt. 😀 Ich begann mit Heteroromanen und schreibe tatsächlich eine eigene Reihe. Sie spielt im 18. Jahrhundert und hat einen faszinierenden Helden, einen adligen Spion. Diese Reihe setze ich auf jeden Fall fort. Ich habe auch andere Projekte, in denen die Paarungen männlich/weiblich sind, in der Schublade. Was ich ziemlich ausschließen kann, sind lesbische Romane. Die reizen mich einfach nicht.

Gay Romane gibt es ja noch nicht so viele auf dem Buchmarkt und sind noch nicht so bekannt. Obwohl ich selber Hetero bin, lese ich auch sehr gerne Gay Romance Romane. Für mich sind Charaktere sehr wichtig, die realistisch erscheinen, und bei Gay Romance ist es mir gar nicht schwer gefallen, wenn ich mir bildlich vorstelle, dass zwei Männer miteinander intim werden. Für manche Horrorvorstellung. Wie denkst du darüber?

Sobald ich mir Sex bildlich vorstelle, wird es für mich unangenehm, das ist aber bei Gay Novels und bei Heteroromanen dasselbe. Ich will die Intimität spüren und vermitteln, aber keinen Porno ansehen. Wenn ich jetzt rein vom Gefühl ausgehe, finde ich Sex zwischen Männern sehr schön. Mir gefällt es, wenn Männer sich in der Öffentlichkeit küssen, sich liebevoll über den Rücken streicheln oder Händchen halten. Einfach normale Zärtlichkeit, bei der man die Stimmung und Zuneigung eines Paares spürt. Da sind Heteropaare oft weit weniger diskret. Du sprichst realistische Charaktere an. Das ist mir auch extrem wichtig, weil eine Figur nie nur deshalb funktionieren kann, weil sie schwul ist, sondern weil sie ein ganzes Bündel an Eigenschaften mitbringt. Deshalb finde ich auch Romane problematisch, in denen 90 % der Charaktere schwul sind. Sorry, aber so ist es eben auch wieder nicht. Wenn das Setting nicht gerade ein Schwulenclub ist, wirst du diese Quote wohl kaum erreichen. Das macht einen Roman oder eine Reihe für mich sehr schnell unglaubwürdig oder zumindest wenig plausibel. Hier steht dann Gay im Vordergrund, nicht mehr die Handlung oder die Charaktere.

Was ist für dich persönlich besonders interessant und wichtig bei einer Gay Novel?

Ich habe sehr gerne Altersunterschiede oder zumindest ein gesellschaftliches oder berufliches Gefälle. Einen starken, souveränen Partner, der auch als Mentor auftritt. Aber genauso wenig wie ich in Heteroromanen Hascherln mag, mag ich unbedarfte, devote Männer. Es muss glaubwürdig sein, dass sich auch der starke Partner in den anderen verliebt. Auch wenn ich mich über ein verliebtes Paar freue und für das Paar hoffe, will ich doch auch die Schwierigkeiten sehen. Geheimhaltung, Anfeindungen oder was auch immer. Eben ein realistisches Abbild unserer Welt. Das kann, muss aber nicht immer ein Drama sein, ich will mich aber auch nicht durch Dauertristesse runterziehen lassen. Über ein Happy End freue ich mich genauso wie über ein trauriges Ende, wenn es besser zur Geschichte passt. Weiters muss die Würde der Figuren unbedingt gewahrt bleiben, auch in BDSM-Romanen. Sex muss geschmackvoll bleiben, wenn nur mehr alles reibt und spritzt, bin ich raus. Und mir sind ein männliches Körpergefühl und männliches Denken wichtig, oder zumindest das, was ich mir darunter vorstelle. Ich mag keine zerfließenden, sülzigen Typen, keine Frauen in Männergestalt. Wenn ein Mann eine Frau und weibliches Verhalten will, wäre er ja kaum schwul, oder?

Liest du selber auch Gay Romance? Wenn ja, was gefällt dir an einem Gay Roman besser als bei einem Roman, bei dem nur Heteros vorkommen?

Ja, sonst wäre ich gar nicht zu diesem Genre gekommen. Ich halte es für sehr wichtig, auch andere Autoren zu lesen und das Genre zu kennen. Ich lese beides gerne, aber sobald es um Liebe oder Beziehung geht, greife ich lieber zu Gay Novels. Ich komme mit dem in den meisten Romanen transportierten Frauenbild nicht klar. Und ich mag die etwas rauere (nicht grobe!) Art, miteinander umzugehen, das Pragmatische und Kraftvolle. Das schließt Romantik keineswegs aus.

Ich möchte dir noch 2 bis 3 Fragen zum Buch stellen, die mich brennend interessieren. Warum wähltest du eine Ikone und als Setting Wien?

Ich wollte immer schon einmal einen Roman in Wien ansiedeln, in meiner Heimatstadt, die ich liebe und entsprechend gut kenne. Mir war aber klar, dass ich dann auch das Wiener Feeling vermitteln will und Wien nicht nur Kulisse bleiben soll. Man merkt das vor allem an der Sprache, an Kleinigkeiten wie dem multikulturellen Team, am Stellenwert der Kultur. Das, was Wien ausmacht und von anderen Städten unterscheidet. Die Ikone war eher so ein Geistesblitz. Aber dann erkannte ich die Doppelbedeutung von Ikone und begann, mit ihr zu spielen. Ikone ist ja nicht nur das Heiligenbild, sondern auch das Vorbild. In Julians Leben treten drei Ikonen: das sakrale Bild, der Ballettstar Tolya und sein Chef Merahwi. Deshalb auch „Tanz der Ikonen“, es ist ein komplexer Reigen.

Wie kamst du auf die Idee mit der russischen Mafia?

Die ergab sich aus Tolyas Herkunft. Er kommt aus St. Petersburg (am Mariinski Theater tanzt das weltberühmte Kirov-Ballett). Dann ist die in Russland verbreitete Homophobie auch kein Geheimnis. Und schließlich bildeten sich durch die Wende in Russland eben kriminelle Strukturen heraus, die mir gut ins Setting passten.

Möchtest du den Lesern und der Welt noch etwas mitteilen?

Ich habe sowieso schon so viel geredet. (lacht) Ich finde, jetzt seid ihr dran, und ich hoffe, dass ihr den Roman genießt. Ich freue mich auch über jede Rückmeldung und natürlich über eure Rezensionen. Wenn euch „Tanz der Ikonen“ gefällt, redet darüber und helft mit, Gay Novels auch außerhalb des Genres zu verbreiten. Damit ganz viele Leute merken, dass auch solche Romane spannend sind und Liebe zwischen Männern aufregend und schön sein kann.

Liebe B.D.Winter, vielen herzlichen Dank für deine Antworten und die tollen Stunden mit dir. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder.

Schwule Protagonisten sind in folgenden Geschichten vertreten.

Tanz der Ikonen
Poker mit Hai
Auf den Hörnern des Stiers
Danse funèbre