Junger Mann mit Bart im Anzug

Interview mit Julian Melnik aus „Tanz der Ikonen“

Männer, frisierte Social-Media-Accounts und verbotene Beziehungen am Arbeitsplatz. Anlässlich der Veröffentlichung von „Tanz der Ikonen“ führte Manuela Pfleger ein Interview mit Julian. Und er nimmt sich kein Blatt vor den Mund.

Hallo Julian, ich freue mich wirklich sehr, dass wir uns heute hier vor der Schillerstatue verabreden konnten. Julian, bevor du dich kurz vorstellst, möchtest du den Lesern verraten, warum wir uns ausgerechnet hier vor der Schillerstatue in Wien treffen?

Das ist eine gute Frage. Mir ist auch erst am Ende des Buches aufgefallen, dass Statuen oft eine Rolle spielen und ich mich gerne bei Statuen treffe. Vielleicht weil es ein einziger, präziser Punkt ist und man sich da nicht verfehlen kann. Die Schillerstatue bietet sich an, weil sie in der Nähe unseres Büros ist, aber doch nicht so unmittelbar, dass die Kollegen über uns stolpern könnten. Deshalb habe ich mich dort auch das erste Mal mit Tolya getroffen. Stell dir vor, was passiert wäre, wenn uns mein Chef vor dem Büro erwischt hätte!

Jetzt darfst du dich kurz vorstellen

Wie bei einem Bewerbungsgespräch? Ich bin Julian Melnik, 26 und frisch promoviert. In Germanistik, vielleicht auch deshalb die Dichterstatuen. Nicht, dass so ein Doktor in Germanistik dir in der Wirtschaft viel helfen würde. Ich bin promoviertes Mädchen für alles, aber ich bin froh, dass ich einen halbwegs anständig bezahlten Job habe. Der bei Merahwi & Martin ist mein erster richtiger, vorher hatte ich nur Studentenjobs. Als Kellner und Barista zum Beispiel.

Was waren deine Gedanken, nachdem dein Chef dir mitteilte, mit Jan über deinen privaten Facebook-Account zu sprechen? Ich persönlich würde mir das ja nicht gefallen lassen.

Das sagst du so leicht! Vor einem halben Jahr wäre ich ihm dafür an die Gurgel gefahren, aber da hatte ich auch noch mein Stipendium und brauchte den Job nicht. Ich lege mich schon mit Autoritäten an, so ist es ja nicht. Mit Professoren zum Beispiel. An der ÖH, das ist die Österreichische Hochschülerschaft, war ich ehrenamtlich im LGBT+-Referat tätig und hab mich gegen Diskriminierung stark gemacht. Aber mit Merahwi kann man sich nicht anlegen. Obwohl ich auf tausend war, das kannst du mir glauben.

Wie fühltest du dich, nachdem du durch Jan bei Facebook zum „Spießer“ geworden bist? Bist du dennoch weiterhin auf Facebook aktiv?

Am Anfang war es echt komisch, meine ganze Identität war futsch. Aber jetzt habe ich sogar ein eigenes, offiziell genehmigtes Profil. Ich bin etwas vorsichtiger, aber ich glaube schon, dass Leute begreifen, was Sache ist. Und man kann auch so Spaß auf Facebook haben, auch wenn manchen mein Humor manchmal zu hoch sein dürfte. Ich mag es gerne doppelsinnig und mit Ironie, das verstehen die Flachwitzler nicht. Kanntest du den Ausdruck Flachwitz? Für mich war der neu.

Wann wurde dir zum ersten Mal bewusst, dass du homosexuell bist?

Nagle mich jetzt bitte nicht auf ein Datum fest, aber es war Anfang der Pubertät. Die anderen Jungs quatschten dauernd über Titten (entschuldige den Ausdruck, aber so, wie sie es taten, kann man es nicht anders nennen). Ich fand es immer aufregender, die Jungs anzuschauen als die Mädels. Als mich dann ein älterer Kerl vernaschte, wusste ich, was Sache ist.

Was zieht dich bei Männern besonders an?

Julian und ich spazieren weiter in Richtung Café Museum und reden weiter. Psst, Julian ist echt ein toller und sympathischer Typ.

Ist dir eigentlich bewusst, dass wir gerade denselben Weg gehen, den ich auch mit Tolya gegangen bin? Na egal. Was zieht mich bei Männern an? Eine gute Figur, ich steh auf schlanke, aber trainierte Typen, solche, bei denen du die Muskeln erst siehst, wenn sie die Klamotten ausziehen. Tolya hat einen Body, ich kann dir sagen …! Kein Gramm Fett, reinste Muskelmasse, und er kann sich bewegen! Bei schwarzen Haaren werde ich immer schwach, das ist mein Problem mit meinem Chef. Bei dem kommt auch noch diese Wahnsinnsstimme dazu. Macht sich extrem gut, wenn dein Chef weiß, dass du schwul bist, und du ihn am liebsten ständig anschmachten willst. Und ich mag es, wenn Männer etwas darstellen. Wenn sie im Rampenlicht stehen und in Gesellschaft glänzen. Charismatische Typen eben.

Dein erstes Teammeeting. Was ging dir damals durch den Kopf?

Zuerst hab ich mal gar nicht begriffen, wo ich da gelandet bin. Ich meine, offiziell sind wir Verhandlungsstrategen, Unterhändler für andere. Wer ahnt denn schon, dass Merahwi im Hintergrund so eine Art Geheimdienst betreibt? Ich war megamäßig beeindruckt, das war wie in einem Spionageroman.

Du bist ja fix im Team von Merahwi und wurdest mit der Recherche der Ikonen beauftragt. Was ist eigentlich dein Fachgebiet und wie gehst du damit um, dass du für die Recherchearbeit ausgewählt wurdest?

Studiert habe ich wie gesagt Germanistik, ich habe über den Zusammenhang von Heldenbildern und Liebeskonzeptionen promoviert. Lach nicht! Ich stehe nun mal auf Helden! Ich glaub, ich hab den Job bekommen, weil ich mich in Bibliotheken auskenne. Eigentlich ist es egal, was du recherchierst, die Methoden sind dieselben. Und wenn ich fachlich anstoße, dann kann ich immer Merahwi oder Phil fragen.

Tolya hat dich ja angesprochen. Was waren deine ersten Gedanken?

Oh Mann! Fantasien hatte ich ja immer schon, aber das waren eben Fantasien. Ich steckte in einer Beziehung, und auch wenn die nicht mehr das Gelbe vom Ei war, bin ich nie fremd gegangen. Außerdem hat Merahwi mir die Leviten gelesen und gesagt, dass ich die Privatsphäre von unseren Klienten respektieren soll. Und dann steht dieser Typ da, mit dem schärfsten Body, den du jemals gesehen hast, und erklärt dir, dass er das gar nicht will! Ich hab gewusst, dass ich mit dem Feuer spiele, aber ich wollte mich unbedingt verbrennen. Von mir aus nenn mich schwanzgesteuert, aber ich hab endlich mal wieder erotisches Kribbeln gespürt.

Nachdem du gemerkt hast, dass du dich in deinen Chef verliebt hast, hattest du nicht Angst, wenn er es erfährt, dass du gefeuert wirst?

Na und ob! Jedes Mal, wenn er mich in sein Büro gerufen hat, bin ich alle Tode gestorben. Und als wir dann diesen gemeinsamen Termin hatten, war ich hypernervös. Ich wusste nie, wo ich hinschauen soll, wenn wir in einem Raum sind. Seine Haifischkrägen schienen mir noch am unverfänglichsten. So kam er dann auch zu einem Spitznamen.

Julian und ich kommen beim Café Museum an und erblicken B.D. Winter. Sie erkennt natürlich sofort Julian und wusste auch, dass ich in Wien bin.  B.D. Winter und ich haben uns kurz entschlossen, dass wir ins Café gehen. Julian verabschiedet sich jedoch von uns, aber er hat noch ein paar Worte für euch.

Julian, was möchtest du den Lesern und der Welt mitteilen?

Oh Gott, und das, wo ich diese abgepackten Weisheiten sowieso nicht ausstehen kann. Vielleicht das: Verbiegt euch nicht, steht zu dem, was ihr seid, denn sonst zerbrecht ihr daran, und das ist kein Mensch wert. Die Idioten sowieso nicht, aber auch nicht die, die es eigentlich gut meinen. Und noch etwas: Manchmal müsst ihr anderen weh tun, aber nichts zu sagen, hilft auch niemandem etwas.

Stimmst du Julian zu? Muss man manchmal jemandem weh tun, um selbst nicht vor die Hunde zu gehen? Dass es ihm gar nicht leicht fällt, obwohl die Luft aus seiner Beziehung längst draußen ist, kannst du im Roman verfolgen.

Über die Ereignisse in diesem Buch unterhielten Manu und Julian sich

Tanz der Ikonen