Unvergessliche Charaktere

Charaktere, die im Kopf bleiben

Welcher Autor träumt nicht davon, unvergessliche Charaktere zu schreiben? Figuren, über die man spricht, an die man sich noch Jahre nach der Lektüre erinnert. Wir sind in unsere eigenen Helden und Heldinnen verliebt und können uns gar nicht vorstellen, dass es jemand anderem nicht so ergeht. Oder wenn wir es uns vorstellen können, wollen wir es zumindest nicht wahrhaben, denn hey, wozu schreiben wir unsere Helden denn sonst? Doch heute will ich nicht die Lanze für die Helden brechen, zumal du meine Lieblingshelden ohnehin schon kennst. Heute rücke ich einmal die Figuren in den Mittelpunkt, ohne die der Roman gar nicht funktionieren könnte: die Gegenspieler.

In love with villains

Okay, in love ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber ich lese und schreibe Schurken wirklich gerne. Vorausgesetzt, sie sind keine Klischeebösewichte. Gute Gegenspieler haben nachvollziehbare Motive, und manchmal fiebere ich sogar mit ihnen mit und wünsche ihnen, dass sie ihr Ziel erreichen. Weil ich sie, wenn sie richtig geschrieben sind, verstehen kann. Wenn ich einen Roman lese, in dem der Held nur ach so lieb und ach so gut ist, passiert es leicht, dass ich mich auf die Seite des Gegners schlage. Warum? Weil ich dieses unrealistisch Gute und Einseitige sterbenslangweilig finde und die besten Antagonisten extrem charismatisch sind.

Geniale Bösewichte

Hast du „Der Teufel trägt Prada“ gesehen? Dieser Film lebt von Meryl Streep als Miranda. Die Harry-Potter-Filme habe ich mir nur angesehen, weil ich mir Alan Rickman als Snape nicht entgehen lassen wollte. In so manchem Thriller von Dan Brown faszinierten mich der Gegenspieler und vor allem sein Motiv weit mehr als der Held. Aus etlichen Büchern habe ich die Helden längst vergessen, aber die Schurken sind in meinem Kopf lebendiger denn je.

Ambivalenz ist Trumpf

Gerade wenn der Held charismatisch ist, darf der Antagonist gegen ihn nicht abfallen, sonst wäre die Geschichte nämlich uninteressant und ganz schnell zu Ende. Einer meiner Lieblinge aus meinen eigenen Büchern ist daher Cesare Scarlatti, der Haupt-Antagonist in „Der Schwur der Schlange“. Er ist der Einzige, der den Marchese führen  kann, und er ist herrlich ambivalent. Ist er nun ein Schurke oder nicht? Kämpft er für oder gegen den Marchese, will er ihn fördern oder behindern? Dass sich aus dieser Konstellation wunderbare Geheimnisse und überraschende Wendungen ergeben, muss ich dir wohl nicht sagen. Nichts ist langweiliger in einem Buch als Vorhersehbarkeit.

Ein ganzer Strauß an Antagonisten

Aber es gibt auch den richtig Bösen in den Marchese-Romanen, für den mein Testleser einen qualvollen Tod einfordert. Leone, der Erzfeind des Marchese, hat ein handfestes Motiv für diese Feindschaft. Herzog Albrecht von Sondheim aus dem ersten Band ist so abgefeimt, dass er sogar Fans unter meinen Rezensenten fand. Selbst für Victor Rodchenko aus der Reihe „Shark Temptations“, den ich tatsächlich für einen Klischeebösewicht hielt, ernte ich Bewunderung und lese öfter, dass er in seiner Schmierigkeit unter die Haut geht. Sie haben alle etwas gemeinsam: Sie schüren die Emotionen und lassen nicht kalt.

Die Aufgabe von guten, unvergesslichen Figuren

Und das ist doch der Job von großartigen Figuren, egal ob Held oder Schurke: Sie müssen unsere Gefühle wecken. Wenn wir uns über sie aufregen und mit unseren Emotionen aufladen, werden sie lebendig. Jemanden, den wir hingebungsvoll lieben, können wir ebenso schwer vergessen wie jemanden, den wir mit jeder Faser hassen. Was nicht funktioniert, ist das Lauwarme. Und deshalb haben unvergessliche Figuren auch eines gemeinsam, ganz egal ob Held oder Schuft: Committment. Eine unvergessliche Figur lebt nach der Devise Ganz oder gar nicht. Sie macht keine halben Sachen.

Welche Figuren sind für dich unvergesslich? Wenn du nähere Infos zum Buch, in dem mein Lieblingsgegenspieler Cesare Scarlatti auftritt, möchtest, dann geht es hier weiter.